Echtzeitdaten statt Blindflug: Karlsruhe baut digitalen Klimazwilling auf
Karlsruhe nutzt Geodaten und Sensoren, um einen digitalen Klimazwilling zu erschaffen
Stadtgärtner, Klima-Manager und Baudezernenten in Städten sind gefordert, sich dem Klimawandel zu stellen. Doch ohne präzise Messdaten und intelligente Modelle bleibt jede Maßnahme ein Blindflug. Karlsruhe zeigt, wie es besser geht – und setzt mit dem Projekt Sensor City auf einen digitalen Zwilling, der Stadtentwicklung plötzlich messbar, vorausschauend und überraschend smart macht.
Wie geht es den Jungbäumen aktuell und wie feucht ist der Boden? Wo sind typische Hotspots und wie verteilen sich die Temperaturen über das Stadtgebiet? Das sind nur einige Fragen, die Verantwortliche einer Stadtverwaltung im Zuge des Klimawandels beantworten müssen. Diese Daten stehen jedoch meist nicht zur Verfügung – es sei denn, ein dichtes Netz an Messpunkten erfasst sie kontinuierlich.
Karlsruhe agiert in diesem Zusammenhang als Vorreiter der digitalen Transformation: Die Stadt erfasst relevante Daten in Echtzeit und speist sie direkt in einen umfassenden digitalen Zwilling ein. Die städtische Abteilung Geoinformation des Liegenschaftsamtes setzt dazu auf das Geoinformationssystem ArcGIS von Esri, um alle Daten auf einer Plattform zu speichern, zu analysieren und zu modellieren.
Digitaler Zwilling als Kern der Smart-City-Infrastruktur
Ein digitaler Zwilling ist definiert als Computerabbild der realen Welt. Mit ihm lassen sich nicht nur historische Analysen erstellen; er kann auch dynamisch auf Veränderungen reagieren und mit den entsprechenden Modellen zukünftige Entwicklungen berechnen sowie mögliche Maßnahmen abschätzen. Der digitale Zwilling ist damit eine Anwendung, mit der Stadtplaner und Klimamanager Planungen und deren Auswirkungen durchspielen können, ohne etwas an der realen Welt ändern zu müssen.
Initial installierte die Stadt Karlsruhe in einem ersten Pilotprojekt IoT-Sensoren im gesamten Stadtgebiet, um Daten zu Temperatur, Luftfeuchtigkeit und Bodenfeuchte zu sammeln und in den digitalen Zwilling einfließen zu lassen. Die Datenübertragung der Sensoren erfolgt dabei über ein sogenanntes LoRaWAN-Netzwerk, das die Stadt in Zusammenarbeit mit den Stadtwerken aufgebaut hat. LoRaWAN-Netzwerke sind für die Übertragung von Sensordaten über mehrere Kilometer (auch bei enger Bebauung) konzipiert worden. Einzelne Sensoren können im Batteriebetrieb mehrere Jahre Daten erfassen und senden.
Datenerfassung auch über Fahrräder und Bodensensoren
Neben festinstallierten Fühlern gibt es weitere mobile Datenquellen: So bindet die Stadt auch Bürger:innen ein, um mobile Temperatursensoren an Fahrrädern zu befestigen. Damit erhält der digitale Zwilling auch Messwerte von Rad- und Verkehrswegen und deren Temperaturänderungen. Das Gartenbauamt hat außerdem vor, mehrere hundert Bodenfeuchtesensoren bei frisch gepflanzten Bäumen zu vergraben, um die Bewässerung der Pflanzen zu optimieren und Wasser möglichst effizient einzusetzen. Auch diese Daten fließen in das Geoinformationssystem ein, das nebenbei auch andere Daten wie etwa Flusspegelstände erfasst.
Vielfache Auswertungsmöglichkeiten
Die ArcGIS-Plattform mit ihren verschiedenen Modulen erlaubt eine umfangreiche Auswertung in Echtzeit. Wenn beispielsweise Messdaten vorher festgelegte Schwellwerte überschreiten (wie bei großer Hitze oder extremer Bodentrockenheit), kann das System automatisiert Warnungen ausgeben.
Für die Erfassung der zahlreichen Daten kommt ein Data Store zum Einsatz, der für das Speichern und Verwalten großer Beobachtungs- und Echtzeitdatenmengen entwickelt wurde. Der Store erfasst dabei Geodaten von stationären und auch beweglichen Sensoren über große Zeiträume. Damit lassen sich Muster und Veränderungen über längere Zeiträume hinweg analysieren und auch prognostizieren.
Daten stehen auch der Bevölkerung zur Verfügung
Der digitale Zwilling dient der Stadtverwaltung aber nicht nur für interne Zwecke. Es wurde darauf basierend auch ein interaktives Dashboard erarbeitet, über das sich die Bürger:innen in Echtzeit über das Mikroklima ihrer Stadtteile informieren und selbst Auswertungen vornehmen können. Dieses Bürgerportal führt somit zu mehr Transparenz und ‒ so die Erwartung ‒ auch zu mehr Bürgerbeteiligung.
Noch steht das Projekt am Anfang. Zukünftig möchten die Verantwortlichen die Daten auch nutzen, um komplexe Umweltanalysen anfertigen zu können. Sie möchte etwa Hitzeinseln (englisch ‚Hotspots‘) ermitteln, um mit gezielten Maßnahmen an diesen Orten für eine Temperaturabsenkung zu sorgen.
Dazu wird sie den digitalen Zwilling kontinuierlich weiterentwickeln und dank des modularen Aufbaus des zugrundeliegenden GIS-Systems weitere Technologien einbinden – immer mit dem Ziel, das städtische Leben bei fortschreitendem Klimawandel zu verbessern.
Weitere Informationen: www.esri.de
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